Am 07.07. sollte die letzte Ratssitzung vor der Sommerpause nicht vordergründig im Zeichen der Bewältigung der Corona-Pandemie stehen. Die Anträge der Fraktionen sollten wieder mehr Raum finden, dementsprechend war die Tagesordnung sehr voll und die Themen deutlich vielfältiger als zuvor.
Der Antrag für ein „ganzheitliches Mobilitätskonzept“ den wir, Corona in der Märzssitzung untergeordnet von der TO genommen hatten, sollte debattiert werden. Die Anzeichen, dass sich die anderen Parteien dieser Debatte stellen werden standen dennoch schlecht. Man begegnete unseren auf 4 Seiten zusammengefassten Vorschlägen für eine ganzheitliche Betrachtung der Herausforderungen in der Mobilität mit einem Versteckspiel hinter allem was bisher schon in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren beschlossen wurde. Der von den anderen Parteien gestellte Änderungsantrag endete mit den Worten: „der Antragstext der SPD Fraktion entfällt vollständig“ – soweit die Debattenkultur beim Thema Verkehrspolitik in Osnabrück.
Doch soweit kam es gar nicht, ein tragischer Verkehrsunfall unmittelbar vor der OsnabrückHalle, eine Radfahrerin wurde von einem LKW überrollt, sorgte für große Betroffenheit unter uns Lokalpolitikern – aus Anteilnahme wurden die Verkehrsthemen von der Tagesordnung genommen, im Lauf der Sitzung wurden wir informiert, dass die verunglückte Osnabrückerin Ihren Verletzungen erlegen war. Der Rat der Stadt reagierte mit einer Schweigeminute.
„Es ist also wieder passiert“ für die Angehörigen ein Schock und große Traurigkeit – für leidenschaftliche Verkehrspolitiker ein Moment der Hilflosigkeit. Will man doch mit seinem Wirken genau das verhindern. Auch wenn ich nicht sofort einverstanden war den Mobilitätsantrag von der TO zu nehmen, war ich dann doch froh die Debatte nicht an dem Abend geführt zu haben, wenn auch in den folgenden Wortbeiträgen zwei Redner die Unfallsituation zur Sprache brachten, was mich sehr verärgerte. Die Auseinandersetzung von den konservativen Parteien ausgehend ob Planungsgelder ausgerechnet von der Martinistraße abgezogen werden sollten, blieb dem politischen Gegner erspart.
Nur 2 Tage später reagierten CDU und FDP dann doch medial auf einen Brief der Notärztevereinigung (von vor dem Unfall) und thematisierten die Situation von Fahrradfahrern und der Unfallhäufigkeit in Osnabrück. Die CDU ließ sich dazu hinreißen zu behaupten: „Osnabrück soll zur Fahrradstadt werden“ …. nur nicht an Haupteinfallstraßen. Die Debatte vom Dienstag davor wurde also nun auf dem Rücken der Verunglückten in der Zeitung ausgetragen, die die in den letzten Jahren an wenigsten für eine Verkehrswende in Osnabrück getan hatten, krakeelten was sie nun alles umsetzen wollen und warfen die ein oder andere Nebelkerze, waren sie doch Tage vorher eben nicht bereit für eine fahrradfreundliche Planung zu stimmen, eben auf der Straße an deren Kreuzung der Unfall passiert war.
Als ich das lesen musste – war ich wieder sauer, sauer auf uns selbst die wir im Juli bereit waren den bereits im März verschobenen Antrag zu verschieben und den konservativen die Möglichkeit gegeben hatten sich wegzuducken – um dann Tage später in den Medien ihre Weste rein zu halten. Klar ist, niemand hätte diesen Unfall verhindern können, aber dennoch fehlt es in Osnabrück an einer geeigneten Gesamtsituation die das Radfahren sicher macht und nicht zum Fehlverhalten aller Verkehrsteilnehmer verleitet.
Es war also nicht unsere Entscheidung, die zu der öffentlichen Debatte in der Zeitung geführt hat, aber nicht zu reagieren war nun als eigentlicher Antragssteller auch nicht mehr möglich, zu beliebig und unmoralisch gingen die Mitbewerber mit der Situation um. Die Selbstdarstellung für einen engagierten Verkehrspolitiker unerträglich.
Aus der Leserschaft erreichten mich fast ausschließlich negative Reaktionen, eine bekannte Situation seit dem ich Verkehrspolitik als einen meiner Schwerpunkte habe. Alle können mitreden, alle haben die bessere Lösung parat ohne sich jemals mit Experten über Verkehrslenkende Maßnahmen ausgetauscht zu haben, was nicht schlimm wäre – wenn sie wenigstens zuhören würden warum man die Vorschläge macht und durchsetzen will, die wir fein säuberlich auf vier Seiten aufeinander abgestimmt haben.
Nachtrag: Nach ein paar weiteren Pressereaktionen und der Aufbereitung des Themas durch die NOZ haben wir uns entschieden, die anderen Fraktionen zu einem Mobilitätsworkshop einzuladen, einmal um den Antrag noch einmal fachlich zu besprechen und zu schauen wo die Gemeinsamkeiten und wo die Differenzen liegen. Vielleicht geht es dann am Ende doch gemeinsam ein paar Schritte voran. Wir werden sehen.